Eigentlich scheint es doch recht einfach: Als Psychologischer Berater meldet man ein Gewerbe an und nutzt vielleicht einen separaten Raum in der eigenen Wohnung oder die Einliegerwohnung des Eigenheims. Und als Heilpraktiker macht man das fast das Gleiche, nur eben aus der Position des Freiberuflers.
Das ist zu einfach gedacht: Selbst wenn man die für naturheilkundlich / körperlich arbeitenden Heilpraktiker geltenden, besonderen Hygiene-Vorschriften hier mal außen vor lassen würde… – Es sind viele Vorschriften zu berücksichtigen, die auf Baurecht, Landesbauordnung, Gewerbeordnung, Arbeitsstättenrichtlinie, Unfallverhütungsvorschriften, Hygiene-Vorschriften usw. beruhen.
In meinem Beitrag habe ich versucht, alle wichtigen Vorschriften aufzuzählen. Wer wirklich alle einhalten und alle Vorgaben befolgen möchte, der hat auch in zig Jahren noch keine Praxis! – Sie sollten sich nicht verrückt machen mit all diesen teils "typisch deutschen" Vorschriften. Aber es ist klug, die Vorschriften zu kennen, um dann selbstverantwortlich zu entscheiden: "wo kein Kläger, da kein Richter".
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Gelten unterschiedliche Vorschriften für psycholog. Berater und für Heilpraktiker?
Der Psychologische Berater betreibt ein Gewerbe, ist gewerbesteuerpflichtig und unterliegt letztlich mehr gesetzlichen Vorgaben und Forderungen, weil er eben einen Gewerbebetrieb unterhält. Der Heilpraktiker hingegen ist ein Freiberufler. Gerade in der heutigen Zeit zunehmender Heimarbeit verwischen die Grenzen aber immer mehr:
Der entscheidende Unterschied ist dann oft, ob und in welcher Zahl Kunden / Klienten in die Praxis kommen. Möchte man seine Praxis in einem Mehrparteien-Wohnhaus betreiben, könnten die Nachbarn wegen der ständigen Besuchern etwas dagegen haben. Immerhin würden mehr Geräusche enttehen und mehr Verschmutzung im Treppenhaus oder der Aufzug würde häufiger genutzt. Bei der typischen Heimarbeit kommen selten Besucher / Kunden / Auftraggeber. Eine sehr sorgfältige und möglcihst schriftliche Klärung vor Beginn der Tätigkeit oder gar vor Anmietung der Räume ist daher dringend erforderlich!
Da der Psychologische Berater ein Gewerbe betreibt, darf er seine Gewerberäume nur in einem sogenannten Mischgebiet oder in einem reinen Gewerbegebiet anmieten. In einem reinen Wohngebiet ist Gewerberaum nicht möglich.
Da der Heilpraktiker zu den Freien Berufen zählt, unterliegt er nicht dem Gewerberecht. Er kann folglich seine Praxis auch in einem reinen Wohngebiet betreiben – es sei denn, die Satzung der Stadt oder der Ortschaft besagen etwas anderes.
In den folgenden Punkten habe ich leider nicht immer wieder auf diese Unterschiede hingewiesen. So kann der Eindruck entstehen, dass manche Vorgaben, die nur für einen Gewerbebetrieb zutreffen, auch für den Freiberufler / Heilpraktiker zutreffen würden. Aus Zeitmangel kann ich den Beitrag aber nicht komplett umschreiben. Ich bitte Sie um Verständnis!
Warum ist eine Praxis in den eigenen Wohnräumen problematisch?
Zunächst ist zu klären, ob die Tätigkeit überhaupt in einer Wohnung ausgeübt werden darf. Denn viele Wohnungsmietverträge verbieten eine Gewerbeausübung oder eine freiberufliche Nutzung in der Wohnung. Dies ist bei Wohnanlagen von Wohnungsbaugesellschaften der Fall, weil der Wohn-Charakter der Anlage erhalten bleiben soll. – Ein einzelner Vermieter hat dagegen eher die Motivation, lästigen Aufwand mit dem Bauordnungsamt zu vermeiden. Denn bei gewerblicher Nutzung (Zweckentfremdung) von Wohnraum liegt eine genehmigungspflichtige „Umnutzung” vor, für die (allen Ernstes!) ein Bauantrag gestellt werden müsste.
Liegt die Wohnung in einem Gebiet, das vom Bauordnungsamt / Liegenschaftsamt als Wohngebiet ausgewiesen ist, wird eine Umnutzung zu gewerblichen Zwecken nicht genehmigt. Liegt die Wohnung aber in einem Mischgebiet (Wohnungen und „nicht-störende Gewerbe sind zulässig”), dann kann die Umnutzung genehmigt werden. Lässt sich der Vermieter darauf ein, wird dessen Zustimmung leider oft mit einer Mieterhöhung erkauft werden müssen.
Zudem entsteht bei der Nutzung der eigenen Wohnung als Praxis ein Abgrenzungsproblem für die Klienten. Oft empfinden sie das Betreten der Räume als „Eindringen in die Privatsphäre” des Beraters oder Heilpraktikers und sie fühlen sich unwohl dabei. — Wenn dann auch noch Geräusche aus dem angrenzenden Haushalt oder Kinderstimmen aus intensivem Spiel in die laufenden Beratungsgespräche oder Behandlungen dringen, ist ein seriöses Arbeiten unmöglich.
Dass es hier massive Abgrenzungs- und Hygieneprobleme gibt, braucht wohl nicht heraus gestellt zu werden: Ein Privat-WC oder Badezimmer mit WC ist nun mal privat.
Angenommen, die Genehmigung zur gewerblichen Nutzung oder zur Nutzung als Praxis könnte erteilt werden, weil z.B. die Wohnung in einem Mischgebiet (Wohnungen und nicht-störende Gewerbe sind zulässig) liegt, oder weil die separat angemieteten Räume von der Lage (Mischgebiet oder Gewerbegebiet) her nutzungsrechtlich genehmigungsfähig sind, dann muss für die beabsichtigte Nutzung dennoch immer ein Bauantrag gestellt werden – ausgenommen, die Räume waren zuvor bereits als Arzt- oder Heilpraxis genutzt und genehmigt gewesen; dann gilt ein Bestandsschutz. War zuvor in den Gewerberäumen z.B. ein Ladenlokal oder ein Imbis genehmigt, so kann in den gleichen Räumen nicht ohne neue Genehmigung eine Praxis eingerichtet werden!
Lage der Praxisräume – ist eine gute Lauflage besser als eine Nebenstraße oder der Stadtrand?
Es gibt für jede der in der Überschrift grob skizzierten Lagen befürwortende und auch ungünstige Aspekte zu berücksichtigen. Meine Erfahrungen:
Wenn Sie Ihre Praxis in einem eher ländlich-konservativ geprägten Umfeld aufbauen wollen, empfiehlt sich eine eher unauffällige Lage in einer Nebenstraße oder am Stadtrand und möglichst in einem Haus, in dem es auch andere Dienstleistungsunternehmen gibt wie z.B. Versicherungsmakler, Büros, Vereine usw.. Denn bei konservativer Einstellung ist Psychotherapie immer noch schambehaftet und Klienten wollen nicht dabei gesehen werden, wenn sie therapeutische Begleitung in Anspruch nehmen.
In einer größeren Stadt oder einem Ballungsgebiet ist dagegen die günstige Erreichbarkeit mit Nahverkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad von Vorteil und die Lage der Praxis hinsichtlich der vorbeschriebenen Problematik unkritisch.
Innenstadt-Lagen sind in der Miete meist deutlich teurer. Zudem sind die Auflagen durch das Bauordnungsamt meist wesentlich weit gehender und weniger leicht erfüllbar, als in Stadtrandlage. Dies trifft besonders für Orte mit historischer Innenstadt zu, bei denen der Denkmalschutz eine Rolle spielt und aufgrund enger Bebauung und Zuwege die erforderlichen Parkplätze fehlen. Dafür wird die Praxis leichter in der Öffentlichkeit wahrgenommen, wodurch im günstigsten Fall die Aufwendungen für die Werbekommunikation verringert werden können.
Purer Luxus ist das Anmieten von Praxisräumen in einem „Ärztehaus”. Die Mieten sind oft fast doppelt so hoch, wie andere Gewerbeflächen. Und ein Nutzeffekt aus der direkten Nachbarschaft von Ärzten, Physiotherapeuten usw. kann nicht erwartet werden, da diese meist Patienten haben, die über die Krankenkassen abrechnen und daher weniger gewohnt und bereit sind, Psychotherapie privat zu zahlen.
Landesbauordnung, Arbeitsstättenrichtlinie, PKW-Stellplätze usw.
Diese Vorgaben bestehen aus der Landesbauordnung (LBO) mit Brandschutzverordnung sowie der Arbeitsstättenrichtlinie, wobei sich beide je nach Bundesland geringfügig unterscheiden können, da es sich um Landesrecht handelt. Zusätzlich greifen landesrechtliche und zusätzlich ergänzende kommunale Verordnungen wie z.B. die Stellplatzverordnung, die Stellplatz-Abgabeverordnung usw.
Zur möglichen Lage einer Praxis in den verschiedenen Nutzungsbereichen einer Kommune hatte ich oben bereits hingewiesen. Die Praxis eines Psychologischen Beraters kann nur in einem Mischgebiet oder einem Gewerbegebiet betrieben werden.
Falls in den für die Praxis vorgesehen Räumen zuvor eine andere Nutzungsart (Lager, Fabrik, Ladenlokal usw.) vorlag, muss ein Antrag zur Umnutzung gestellt werden. Dies erfolgt immer durch einen Bauantrag, auch wenn nicht wirklich „gebaut” wird. Problematisch ist dieser Bauantrag deshalb, weil bei einer Umnutzung immer die neuesten rechtlichen Auflagen erfüllt werden müssen und ein eventuell vorhandener Bestandsschutz für eine bisherige Nutzungsart wegfällt. Manche Räumlichkeiten erfüllen die Auflagen der neuen Landesbauordnung nur zum Teil und müssen dann aufwendig umgebaut werden.
Bleibt jedoch die Nutzungsart gleich, so gilt ein Bestandsschutz gemäß LBO § 76: Eine bisher als Arztpraxis genutzte Immobilie kann also aufgrund des Bestandsschutzes auch weiterhin als Praxis (auch Heilpraxis) genutzt werden, obwohl z.B. kein behindertengerechter Zugang und kein zweites oder fünftes (gender-gerechtes) WC vorhanden ist. Jedoch sagt die Landesbauordnung, dass die neuen Vorschriften bei existierendem Bestandsschutz auch dann angewendet werden müssen, wenn sonst die Gesundheit oder das Leben von Menschen gefährdet wäre. Die Einschätzung, ob eine solche Gefährdung vorliegt, obliegt den zuständigen Bauämtern (und auch dem Gesundheitsamt). So wird z.B. das Vorhandensein des zweiten Fluchtwegs oft als zwingend und unverzichtbar angesehen.
Auf den Bestandsschutz gemäß LBO § 76 kann sich ein Praxisbetreiber jedoch nicht berufen, wenn es um die Vorgaben des Gesundheitsamts oder der Berufsgenossenschaft geht. Demnach kann das Bauamt durchaus die Genehmigung erteilen, das Gesundheitsamt jedoch ihre Genehmigung von der Erfüllung weiterer Auflagen abhängig machen, wie z.B. betr. WCs, Deckenhöhe, Hygiene, Fußbodenbelag usw.
Ferner sind gemäß der Stellplatzverordnung innerhalb der LBO Parkplätze vorzusehen. In Baden-Württemberg gilt z.B., dass bei Praxen je 30m² Nutzfläche ein Stellplatz vorhanden sein muss, mindestens jedoch 3 Stück. Immerhin werden bei der Berechnung der Nutzfläche die Sozial-, Sanitär-, Geräte-/ Funktionsräume, Kantinen, Ausstellungs- und Lagerflächen nicht mitgerechnet. Und wenn eine sehr gute Anbindung der Praxis an den Öffentlichen Nahverkehr gegeben ist, können die Stellplätze auf 30% der sonst geforderten Zahl abgesenkt werden.
Wer die geforderten Stellplätze nicht nachweisen kann, ist verpflichtet, je fehlendem Stellplatz eine Stellplatz-Ablöse zu bezahlen. Hier in Rottweil liegt die bei 10.000 Euro je Stellplatz! Manch eine Praxisgründung wird bereits hieran scheitern!
Der neueste Trend ist die Fahrradabstellplatz-Satzung, die manche Städte erlassen, wie hier z.B. München. Grundsätzlich kann jede Gemeinde innerhalb eines durch LBO § 74 vorgegebenen Rahmens abweichende oder ergänzende Vorschriften erlassen.
Jenseits der behördlichen Vorschriften möchte ich noch auf zwei Punkte aufmerksam machen: den Schallschutz und den Sichtschutz
Bei der Ausgestaltung von Wänden (insbesondere Leichtbauwänden) und der Ausführung der Türen und Fenster ist auf ausgezeichneten Schallschutz und Schalldämmung zu achten, damit eine vertrauensvolle geschützte Atmosphäre entsteht und niemand Sorge haben muss, dass vertrauliche Dinge nach draußen dringen. Prüfen Sie die Schalldämmung, indem Sie vor einer Anmietung im geplanten Therapie- oder Gruppenraum ein Radio aufstellen und in größerer Lautstärke einen Sprecher vortragen lassen und feststellen, wie viel davon noch draußen verständlich ist.
Bei den Fenstern ist für angemessenen Sichtschutz zu sorgen. Kontrollieren Sie die Möglichkeit, im Raum Personen zu erkennen, indem Sie sowohl bei Tageslicht als auch bei Nacht bei eingeschalteter Raumbeleuchtung von außen in den Therapieraum oder Gruppenraum hinein blicken.
Schlussfolgerung: Grundsätzlich sollte ein Praxisgründer erst dann einen Mietvertrag abschließen, wenn zuvor eine Anfrage incl. Grundriss und Tätigkeitsbeschreibung an alle zuständigen Ämter und Behörden gerichtet und mit hinreichender Aussagekraft verbindlich beantwortet worden ist!
weitere rechtliche Vorgaben zur Beschaffenheit der Räume
Die nächste wichtigste Vorgabe ist der Brandschutz! Jede Praxis muss demnach zwei getrennte Fluchtwege (mit Mindestbreite und Mindesthöhe) aufweisen und es darf keine „gefangenen Räume” geben (ein Raum, der nur durch einen anderen Raum zugänglich ist). — Liegen die Praxisräume jedoch z.B. in einem Bürogebäude, in dem das Treppenhaus und die Treppen gesondert als Fluchtweg gesichert sind, so gelten als „zweiter Fluchtweg” die Fenster der Praxisräume, durch die die Feuerwehr per Drehleiter usw. eine Personenbergung im Brandfall vornehmen kann.
Sonderregelungen sind gemäß Bestandsschutz (LBO § 76) denkbar, müssen aber von Fall zu Fall per Ortsbegehung von Bauamt und Brandmeister entschieden werden. Manch eine Praxisgründung in einem attraktiven historischen Gebäude scheitert an diesem Punkt, weil ein zweiter Fluchtweg aus Gründen des Denkmalschutz oder aus bau-statischen Gründen oder wegen eines ungeeigneten Gesamt-Grundriss nicht eingerichtet werden kann.
Weitere Vorgaben ergeben sich aus der Arbeitsstättenrichtlinie und den Unfallverhütungsvorschriften:
Eigentlich sollten Praxisräume einen behindertengerechten Zugang aufweisen. Nur wenn die Einrichtung eines solchen Zugangs bei bereits in Nutzung befindlichen Räumen zu einer übergroßen Härte (z.B. durch unwirtschaftlich hohem Aufwand) führt, kann von dieser Vorgabe abgesehen werden. Bei neu entstehenden Praxen wird meistens der behindertengerechte Zugang gefordert. Und wenn er nicht geschaffen werden kann, wird oftmals auf die Möglichkeit verwiesen, eine andere Immmobilie auszuwählen. — Verschärft wird diese Vorgabe dadurch, dass auch der zweite Fluchtweg behindertengerecht ausgelegt sein muss (ausgenommen bei Praxen in Bürogebäuden, wie oben beschrieben).
Gemäß Arbeitsstättenverordnung sind geschlechtergetrennte WCs notwendig. Dabei muss jedes WC einen durch eine Tür geschlossenen Vorraum mit Waschgelegenheit haben, wobei das Besucher-WC wiederum behindertengerecht ausgestaltet sein muss, falls die Auflage erteilt wurde, dass die Praxis behindertengerecht ausgestattet sein muss. Falls sich die WCs in fensterlosen Räumen befinden, ist für eine angemessen Belüftungsanlage zu sorgen, welche in den Arbeitsstättenrichtlinien definiert ist und es ist eine Notstrom-Beleuchtung erforderlich.
Wenn in der Praxis auch Gruppentherapie oder Gymnastik in Gruppen angeboten wird, ist je 5 bis 10 Besucher jeweils eine geschlechtergetrennte WC-Kabine vorgeschrieben. Bei noch mehr Teilnehmern / Besuchern sind je zwei WC-Kabinen erforderlich plus mindestens ein WC für Mitarbeiter.
Bitte beachten Sie: Bei Heilberufs-Praxen können die Gesundheitsämter weiter gehende Vorgaben zur Anzahl der WCs und andere Auflagen erlassen.
Die Raumhöhe sollte gemäß Arbeitstättenrichtlinie 2,30 Meter nie unterschreiten. Als üblich sind 2,50 Meter anzusehen. Diese Raumhöhe wird allerdings jeder Praxisinhaber bevorzugen, weil die Raumwirkung wesentlich für das Image und für den Wohlfühlfaktor der Praxis sind.
Fensterlose Räume sind möglichst zu vermeiden, wären aber zulässig. In diesem Fall ist für eine zuverlässige Beleuchtung, auch bei Stromausfall zu sorgen (Notstrom-Beleuchtung), sowie für eine Belüftungsanlage, für die weitere Vorschriften gelten.
Falls bei Stromausfall die Räume und Zuwege, insbesondere die Fluchtwege unbeleuchtet sind, ist eine batterigespeiste Notbeleuchtung mit Fluchtweg-Hinweisen erforderlich.
Bitte beachten Sie: Sehr oft nutzen die Aufsichtsbehörden einen (streng genommen nicht vorhandenen) Ermessensspielraum und fordern z.B. die doppelten Toliettenanlagen oder die Notbeleuchtung nicht ein. Wechselt das Personal in diesen Behörden und es kommt zu einer Nachprüfung, könnte es böse Überraschungen geben. Es ist Ihr Risiko als Praxisinhaber, wenn Sie meinen, dass alles nicht so heiß gegessen wird, wie gekocht wird. – Ferner habe ich selbst erlebt, dass man im Rahmen der „Vetterles-Wirtschaft” auch Räumlichkeiten genehmigt bekommen kann, die sogar mangels zweitem Fluchtweg gegen den Brandschutz verstoßen!
Bitte beachten Sie: Diese Auflistung von Vorschriften stellt keine Rechtsberatung dar und erhebt zudem keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Fehlerfreiheit!
Wie viele Quadratmeter braucht eine Praxis?
Im Folgenden rechne ich mal ein Beispiel für eine Praxis für Psychotherapie in Einzel- / Paargesprächen und methodisch wenig Raumbedarf durch:
- Benötigt wird ein Empfang / Windfang mit Garderobe und Schmutzfänger am Fußboden, damit die eigentlichen Behandlungsräume sauber bleiben. Dies gilt ganz besonders, wenn z.B. Entspannungsübungen auf dem Boden / Iso-Matte durchgeführt werden oder aus energetischen Gründen barfuß gearbeitet werden soll (dann bitte nicht mit Teppichboden!). Für diesen Eingangsbereich sind rund 4m² anzurechnen.
- Es wird ein Behandler-WC und ein (ggfs. auch behindertengerechtes) Besucher-WC benötigt, wobei beide separate Vorräume mit Waschgelegenheiten haben müssen. Macht zusammen rund 10m². (Denkbar ist aber, dass von prüfenden Behörden auch ein einzelnes WC akzeptiert wird.)
- Damit der Therapeut sich in Pausen erfrischen kann und ggfs. auch dem Klient mal ein Glas Wasser oder auch Kaffee reichen kann, ist eine kleine Teeküche erforderlich. Die kann auch in einem Schrank eingebaut sein (=teuer, aber platzsparend). Macht ca. 3m² bis 6m².
- Der Therapeut muss in den Pausen zwischen den Sitzungen die Dokumentation schreiben oder Verwaltungsaufgaben erledigen. Also ist ein kleiner Schreibtisch mit Laptop, Drucker, Telefon, ein Schrank oder Regal für Therapie-Utensilien und Bücher usw. und Bürosessel erforderlich. Diese Ausstattung kann evtl. sogar im Therapieraum stehen und benötigt ca. 5m² bis 6m², damit noch genügend Abstand zur Gesprächszone bleibt.
- Im Therapieraum steht meist ein niedriger Tisch, an dem alle Personen Platz nehmen. Als Therapieraum sind nach meiner Erfahrung insgesamt mindestens 12m² bis 14m² erforderlich, je nachdem welche Arbeitsmethoden zum Einsatz kommen.
Sparsam gerechnet sind somit für einen psychotherapeutisch arbeitenden Heilpraktiker insgesamt ca. 35m² bis 40m² erforderlich. Die gleiche Größe sollte auch ein Psychologischer Berater / Coach einplanen.
Ein Therapieraum, in dem auch erlebnisbasierte Therapie mit mehr Raumbedarf durchgeführt werden soll, benötigt mindestens 20m² Fläche. Und ein Gruppenraum für bis zu ca. 15 Teilnehmern sollte nicht unter 30m² groß sein.
Als Beispiel hier die Durchführung einer Gruppe zum Thema „Autogenes Training”: Je Teilnehmer wird eine Fläche benötigt, die dem eines Bett plus Abstandszone entspricht, also mindestens 3m² bis 3,5m² (für eine Iso-Matte plus Abstand zum Nachbarn) = 45m² bei 15 Teilnehmern. Dazu kommt ein Durchgangsbereich von 1 Meter Breite zwischen z.B. zwei Reihen Iso-Matten zu je 7 Teilnehmern, wodurch weitere 5m² bis 10m² empfehlenswert werden.
Je nachdem, welche Angebote stattfinden sollen, benötigt der Gruppenleiter freien Aktionsraum, eine Flipchart, ein Tischchen, einen Stuhl, einige Hilfsmittel, einen Schrank für Hilfsmittel usw., wodurch weitere 6m² bis 10m² anfallen incl. Tür- / Eingangszone des Raums. Der Gruppenraum sollte also, sofern kein Abstellraum dazu gehört, über 50m² groß sein!
Eine Praxis mit Einzeltherapieraum plus Gruppenraum wird also nicht unter 100m² Gesamtfläche realiserbar sein. Einzeltherapie in einem Gruppenraum leidet – je nach Gestaltung – oft unter mangelndem Gefühl der Geborgenheit, Sicherheit und Atmosphäre.
Kosten verringern durch Gründung einer Praxisgemeinschaft?
Wäre doch toll, wenn man Bürozone, Empfang, Garderobe, Windfang und Schmutzfangzone, die WC-Anlage und Flure und eine kleine Teeküche, Möblierung und Telefon- / Internetzugang gemeinsam nutzen könnte! Da entsteht mit fast 50% der angemieteten Fläche sowie der gemeinsam nutzbaren Einrichtung ein gutes Einspar-Potenzial. Zusätzlich können sich im Marketing wertvolle Synergie-Effekte ergeben.
Ja aber…! — Das geht nur, wenn genügend Schalldämmung vorhanden ist, wenn die Partner zur gleichen Zeit in separaten Räumen arbeiten wollen. Und um Probleme mit den Hygienevorschriften zu vermeiden, müssen für den Praxispartner die gleichen Vorschriften gelten, wie für die Heilpraxis. Dies gilt auch dann, wenn der Partner ohne diese Praxisgemeinschaft in eigenen Geschäftsräumen solchen Vorschriften nicht unterliegen würde.
Ferner sollte die Wortwahl, mit der man an die Öffentlichkeit tritt, exakt beachtet werden:
Eine Praxisgemeinschaft bedeutet, dass die gleichen Räume von mehreren Personen / Anbietern genutzt werden, ohne dass diese wirtschaftlich oder heilberuflich miteinander verbunden sind. Dies muss auch nach außen hin deutlich gemacht werden, z.B. durch je ein Praxisschild pro Anbieter, separate Werbemittel usw.
Eine Gemeinschaftspraxis hingegen wird von Personen betrieben, die gemeinschaftlich eine Dienstleistung oder Heilbehandlung anbieten, sodass sich hieraus zugleich die Rechtsform der GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) mitsamt der daraus folgenden Haftungsproblematik ergibt.
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